Kein rückwirkender Schutz vor coronabedingten Vollstreckungsmaßnahmen

In vielen Teilen der Bundesrepublik Deutschland und in nahezu allen Branchen sind aufgrund der Corona-Pandemie bereits erhebliche wirtschaftliche Schäden entstanden. Demzufolge hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 19.03.2020 die obersten Finanzbehörden der Länder dazu aufgerufen, den Geschädigten durch steuerliche Maßnahmen zur Vermeidung unbilliger Härten entgegenzukommen. Unteranderem wurde beschlossen, dass von Vollstreckungsmaßnahmen gegen Steuerschuldner, die unmittelbar und nicht unerheblich von der Corona-Pandemie betroffen sind, bis zum 31. Dezember 2020 abgesehen werden soll.

Der Bundefinanzhof (BFH) stellte nunmehr mit Beschluss vom 30.07.2020 (VII B 73/20) klar, dass ein Steuerschuldner sich nicht auf das Absehen von Vollstreckungsmaßnahmen bis Ende 2020 berufen kann, soweit die entsprechende Finanzbehörde bereits vor dem 19.03.2020 Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hat. Vorliegend hatte ein in der Europäischen Union ansässiges Unternehmen erhebliche Steuerschulden, die bereits 2019 festgesetzt wurden. Das in Deutschland zuständige Finanzamt erließ aufgrund eines Vollstreckungsersuchens eines anderen EU-Staates im Februar 2020 Pfändungs- und Entziehungsverfügungen gegen die Banken des Unternehmens. Hiergegen wollte sich das Unternehmen auf Grundlage des BMF- Schreibens vom 19.03.2020 Abhilfe verschaffen. Der BFH begründete seine Entscheidung insbesondere damit, dass der Begriff des „Absehens“ bereits darauf hindeute, dass Maßnahmen gemeint seien, die noch nicht durchgeführt worden sind. Zumindest könne man aus dem Schreiben nicht herleiten, dass Vollstreckungsmaßnahmen, die vor Veröffentlichung dieses Schreibens ergriffen worden sind, wieder aufzuheben oder rückabzuwickeln seien. Ebenso gebe es keinen Grund dafür, dass Schuldner, die vor und völlig unabhängig von der Corona-Pandemie ihre Steuerschuldner nicht beglichen haben, bessergestellt werden, als diejenigen, die ihre Zahlungsverpflichtungen – wohlmöglich mit Hilfe eines Kredits – getilgt haben.

Steffen Backes, 25.09.2020